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Biofach-Kongressbeitrag der BÖLN-Projekte regiosöl und UGÖ: Gesellschaftliche Leistungen des Ökolandbaus erfassen und honorieren


„Gesellschaftliche Leistungen des Ökolandbaus – wie kann man sie erfassen und wer bezahlt?“ Diesen Titel trug der gemeinsame Bio-Fach-Kongressbeitrag des IfLS sowie der Institute FibL und Thünen am 27.7. auf der BioFach in Nürnberg. Zunächst wurden aktuelle Forschungsergebnisse der laufenden BÖLN-geförderten Projekte regiosöl (IfLS) und UGÖ (FibL/Thünen) präsentiert. Im Anschluss erörterten die Akteur:innen auf dem Podium ihr Verständnis gesellschaftlicher Leistungen der Landwirtschaft und forderten mehr Mut und politisches Engagement zur Honorierung nachhaltigen Handelns. Teil nahmen Dorle Gothe (Regionalwert AG Rheinland), Klaus Engemann (Biolandhof Engemann), Sigrid Griese (Bioland e. V. ), Dr. Nicolas Lampkin (Thünen-Institut für Betriebswirtschaft), Dr. Jürn Sanders (FiBL) und Simone Sterly (ifls). Stefan Gothe (Regionalwert Impuls GmbH) moderierte die Veranstaltung.

Im Zentrum der Veranstaltung stand die Frage, wie sich ökologische, soziale und regionalökonomische Leistungen landwirtschaftlicher Betriebe erfassen und zukünftig vergüten lassen. Beide BÖLN-Projekte treibt die Feststellung an, dass Daten zur Nachhaltigkeitsbewertung aktuell nicht verfügbar sind und neue Indikatoren benannt werden müssen. Nach Betrachtung verschiedener Nachhaltigkeitstools wurde im regiosöl-Projekt, die Regionalwert-Nachhaltigkeits- und Leistungsrechnung als geeignetes Erfassungstool identifiziert und 61 Bio-Betriebe zu ihren Nachhaltigkeitsleistungen befragt. Die Bewertungskriterien der Regionalwert-Leistungsrechnung wurden in regiosöl um weitere Faktoren ergänzt. Simone Sterly betonte die regionale Ebene als wichtige Handlungsebene, da das Zusammenwirken verschiedener Betriebe einen Mehrwert bilde.
Im UGÖ-Projekt liegt der Fokus auf der Erfassung von Nachhaltigkeitsleistungen innerhalb der vier Schutzgüter Klimaschutz, Biodiversitätsschutz, Bodenschutz und Gewässerschutz. Referent Nicolas Lampkin betonte vor allem die Ergebnisorientierung, also die Wahl einfacher effektiver Methoden, um künftig eine leistungsdifferenzierte Honorierung vornehmen zu können. Genannt wurde u. a. die umfassendere Auswertung von InVeKoS-Daten und die Bedeutung eines hohen Kleegrasanteils in der Fruchtfolge.

Die Diskutant:innen waren sich einig in ihrem Appel an die Politik, nicht nur Kosten für Mehraufwand zu kompensieren, sondern Anreize für ein Umdenken auf den Betrieben zu setzen. Dr. Jürn Sanders (FiBL) sprach von einemIdeenwettbewerb für die nächste GAP-Periode“ und forderte von den politisch Handelnden mehr Mut. Sie müssten eine Form finden, um Landwirtschaftsbetrieben den Schutz öffentlicher Güter zu honorieren.
Wie diese Leistungen durch lokale Netzwerke gestärkt werden können, veranschaulicht das Konzept der Regionalwert-AGs, das durch Dorle Gothe vorgestellt wurde. Ziel ist es dabei mit Bürger-Aktien die Glieder einer lokalen Wertschöpfungskette, also regionale Erzeuger, Verarbeiter, Bündler und Händler zu fördern, Neugründungen voranzutreiben und regionale Netzwerke zu pflegen, während Aktionär:innen zugleich Nutznießer dieser resilienten Lokalstrukturen werden.

Um betriebliche Nachhaltigkeitsleistungen kommunizieren zu können,  wurde außerdem durch die Regionalwert AG Freiburg die Regionalwert-Leistungsrechnung entwickelt. Mit einem Online-Tool können Landwirt:innen ihren Beitrag zur Nachhaltigkeit in den Kategorien Ökologie, Soziales und Regionalökonomie erfassen. Das Ergebnis ist eine Einstufung, wie nachhaltig ihre Betriebe wirtschaften – und was die Leistungen in Euro und Cent wert sind. Allein im Rheinland konnte gezeigt werden, dass auf 25 Betrieben Nachhaltigkeitsleistungen in Höhe von 1,3 Mio € unvergütet erbracht werden.

Als Praxisakteur hat Klaus Engemann ein starkes Interesse, sichtbar machen zu können, warum seine Bio-Produkte bei den Kunden höhere Preise erfordern: „Auf der Grundlage der Regionalwert-Leistungsrechnung haben wir ein Preismodell mit unseren zuliefernden landwirtschaftlichen Betrieben entwickelt – und auch im Gespräch mit unseren Abnehmern Preise für besondere Leistungen vereinbaren können. Dr. Nicolas Lampkin (Thünen-Institut für Betriebswirtschaft) setzte dem entgegen, dass Umweltleistungen des ökologischen Landbaus der ganzen Gesellschaft nutzten. Deshalb sei es nicht fair, wenn nur die Käufer von Biolebensmitteln dafür bezahlen sollen. In Zukunft solle es eine Basisprämie für Bio-Betriebe geben – plus Zahlungen für konkrete Leistungen für Klima, Biodiversität, Wasser oder Boden. „Wir fangen schonmal an - sobald die Nachhaltigkeitsleistungen unseres Betriebs vergütet werden, möchte ich gerne mehr in die Ausbildung investieren und mehr als den Mindestlohn zahlen,“ ergänzte Klaus Engemann.

Sigrid Griese (Bioland e. V.) betonte die Steuerungswirkung der Gemeinsamen Agrarpolitik und wies darauf hin, dass jeder Euro, der nicht in der nachhaltigen Landwirtschaft lande, eine nicht-nachhaltige Landwirtschaft unterstütze: „Wenn wir Bio fördern wollen, müssen diese Betriebe auch mehr bekommen als konventionelle Betriebe mit Einzelmaßnahmen. Einzelbetriebliche Entscheidungen für Nachhaltigkeit müssen finanziert werden.“

Simone Sterly (Institut für ländliche Strukturforschung) ergänzte: „Natürlich ist die GAP die ganz große Stellschraube. Aber auf der regionalen Ebene gibt es noch andere Möglichkeiten, über regionale Akteure weitere, zusätzliche Honorierungssysteme für Landwirte zu finden.“ Dorle Gothe fügte an, dass auch der Handel verstärkt Verantwortung für die Sichtbarmachung und Vergütung von Nachhaltigkeitsleistungen zu tragen habe.

Ansprechperson am IfLS: Simone Sterly (sterly[at]ifls.de)